CHRONIK DER EREIGNISSE

ANFANG MÄRZ 2021

Der bislang nicht ausgebaute Dachstuhl des Hauses in der Choriner Straße 12 wird innerhalb weniger Tage häufiger besichtigt. Mehrfach halten Menschen vor dem Haus, inspizieren es von außen, versuchen, hineinzukommen, schauen sich die Gewerbeeinheiten aufmerksam an.

MITTE MÄRZ 2021

Wir, die Hausgemeinschaft, entschließen uns, den Besitzer des Hauses (Einzeleigentümer) zu kontaktieren. In einem Telefonat informiert er uns, dass er mit dem Gedanken spiele, das Haus zu verkaufen. Dabei erzählt er, dass ihn bereits seit Jahren eine große Immobilienmaklerfirma immer wieder kontaktiere, um ihn zum Verkauf zu bewegen. Auch wir, die Hausgemeinschaft, haben dem bisherigen Eigentümer in den vergangenen Jahren mehrfach unseren Wunsch signalisiert, dass er mit uns ins Gespräch kommen möge, wenn er einen Verkauf des Hauses in Erwägung zieht.

Nur zwei, drei Tage nach diesem Telefonat haben wir, die Hausgemeinschaft, dem Eigentümer eine lange Mail geschrieben, die ihm schildern sollte, was mit einem Verkauf dieses Hauses insbesondere für die Gewerbeeinheiten auf dem Spiel steht und ihn gebeten, doch noch mit uns zu sprechen.

27. MÄRZ 2021

Telefonisch konnten wir den Eigentümer einige Tage nicht mehr erreichen. Am 27. März erhielten wir eine Mail, in der er uns mitteilt, dass er den Käufer:innen nun verbindlich zugesagt habe. Aus einem Gedankenspiel ist in wenigen Tagen sein konkreter, fester Entschluss gewachsen. Unsere dringenden Bitten, mit uns über alternative Modelle für die Zukunft dieses Hauses zu sprechen, schlug der bisherige Eigentümer aus.

Sowohl der Mietvertrag für den Spätkauf als auch für die Arztpraxis liefe demnach zum Ende des Jahres 2021 aus. Einer Verlängerung müssten die Neueigentümer:innen zustimmen. Wir wissen nicht, wer die Käufer:innen sind und können bezüglich ihrer Ambitionen bislang nur mutmaßen. Unsere Erfahrungen und Beobachtungen im Kiez der vergangenen zwei, drei Jahrzehnte lassen es jedoch hochgradig unwahrscheinlich erscheinen, dass neue Eigentümer:innen dieses Haus nicht in erster Linie aus Profitmaximierungsinteressen erstehen. Wir haben zu viele wichtige Orte für das soziale Gefüge verschwinden sehen, um auf gute Absichten noch vertrauen zu können. Eine Gewerbemieterhöhung, wie sie nach einem Verkauf zu erwarten ist, würde mit großer Wahrscheinlichkeit das Ende des Spätkaufs bedeuten, eine Kündigung, mit der wir natürlich ebenfalls rechnen müssen, selbstredend sowieso.

ANFANG APRIL 2021

In vielen Gesprächen und Abstimmungen haben wir uns in der Hausgemeinschaft organisiert und entschlossen, sofort mit unserem Anliegen an die Bezirkspolitik heranzutreten, um das Thema „Choriner 12“ auf die Agenda zu bringen. Auch weil wir in Erfahrung bringen konnten, dass uns ab dem Zeitpunkt, zu dem der Kaufvertrag beim Bezirksamt vorliegt – der beauftragte Notar ist verpflichtet, den Verkauf an das Bezirksamt zu melden –, nur noch acht Wochen Zeit bleiben, um zu intervenieren. Mittlerweile haben die Bezirke in Sozialen Erhaltungsgebieten u.a. das Recht, Immobilienverkäufe zu unterbinden und ein Vorkaufsrecht geltend zu machen. Unser Schreiben, mit dem wir an die Politik herangetreten sind, findet Ihr hier.

APRIL 2021

Erfreulicherweise haben wir durch die Bezirkspolitik innerhalb kürzester Zeit Rückmeldungen erhalten. Wir fühlen uns wahrgenommen und gehört von Politiker:innen wie Fred Bordfeld (DIE LINKE), Mike Szidat (SPD), Vollrad Kuhn (GRÜNE), Helene Bond (GRÜNE) u.v.m. Danke. Wir konnten mit dieser Unterstützung in Erfahrung bringen, dass nach wie vor kein Antrag auf Verkauf beim Bezirksamt vorliegt, aber alle beteiligten Instanzen im Bilde sind und „in den Startlöchern stehen“, um alles, was helfen könnte, in die Wege zu leiten, sobald es so weit ist.

Darüber hinaus sind wir überwältigt von dem großartigen Support, den wir in unserem spontan und laienhaft gestarteten Instagram-Account @Choriner_12_Spaeti erfahren. Die vielen Nachrichten, Tipps, Ratschläge, Kontakte, Unterstützungsangebote und Solidaritätsbekundungen helfen uns nicht nur sehr. Sie geben uns auch das gute Gefühl, nicht allein der Überzeugung zu sein, dass dieser Ort, die Choriner 12, vielen Menschen im Kiez und über dessen Grenzen hinweg wichtig ist. Auch euch, allen Unterstützer:innen, gilt unser größter Dank.

24. APRIL 2021

Noch immer befinden wir uns im Schwebezustand zwischen verbindlicher Zusage des Eigentümers an die Käufer:innen und der Vorlage des notariellen Kaufvertrags beim Bezirksamt. Diese Ungewissheit ist einerseits aufreibend für uns alle. Andererseits haben wir durch die Verzögerung des Verkaufs Zeit gewonnen, die wir unter größten Anstrengungen sehr effektiv zu nutzen versuchen.

10. MAI 2021

Nachdem wir weiterhin wiederholt den Kontakt zum bisherigen Eigentümer suchen, sogar Dr. Klaus Lederer (DIE LINKE) in seiner Funktion als Kultursenator und Bürgermeister von Berlin einen sehr aussagekräftigen und überzeugenden Brief, wie wir finden, an den Eigentümer schreibt, beißen wir auf Granit. Der bisherige Eigentümer ist von seinem Plan, das Haus an andere Interessent:innen zu verkaufen, die über ein großes Immobilienmaklerbüro kommen, nicht abzubringen.

17. MAI 2021

Nach einer gemeinsamen Videokonferenz am Abend des 11. Mai 2021 kommt Klaus Mindrup (MdB, SPD), der gerade das Baulandmobilisierungsgesetz gegen Verdrängungsprozesse auf den Weg gebracht hatte, am 17. Mai 2021 hier vor Ort in der Choriner 12 vorbei, um mit uns zu sprechen. Mit ihm durften wir Ulf Heitmann von der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe e.G. begrüßen. In einem sehr aufschlussreichen Gespräch haben wir Hrn. Heitmann und die Bremer Höhe für unser Anliegen gewinnen können und gehen seitdem mit einem sehr starken und engagierten Partner voran, der uns in Sachen Erfahrung, Know-how und Infrastruktur um Lichtjahre voraus ist.

20. MAI 2021

In einer schriftlichen Antwort auf einen der Briefe, die in den vergangenen Wochen aus dem Haus heraus an den bisherigen Eigentümer gehen, teilt er uns mit, dass der Verkauf vollzogen sei. Seiner Auskunft nach sei der Vertrag notariell beglaubigt.

26. MAI 2021

DAS HAUS IST VERKAUFT. Auf verschiedenen Kanälen erfahren wir, dass der notarielle Kaufvertrag für die Choriner 12 beim Bezirksamt vorliegt. Damit beginnt die offizielle Frist, das bezirkliche Vorkaufsrecht zu prüfen und bestenfalls auszuüben. Diese Frist endet am 26. JULI 2021.

Mit der Mitteilung, dass der Bezirk das Vorkaufsrecht prüft, erhalten die Käufer*innen, die im notariellen Vertrag stehen, eine sogenannte ABWENDUNGSVEREINBARUNG. Diese enthält Auflagen zum Schutz der Wohnungsmieter*innen im Haus. Ein Bestandsschutz oder andere Sicherheiten für die Gewerbeeinheiten im Haus können aus rechtlichen Gründen nicht Bestandteil dieser Abwendungsvereinbarung sein. Die Käufer*innen haben ebenfalls acht Wochen Zeit, um diese Vereinbarung zu unterschreiben. Geht die unterzeichnete Abwendungsvereinbarung beim Bezirksamt ein, erhalten die Käufer*innen das Haus. Leider wissen wir noch nicht definitiv, wer die Käufer*innen der Choriner 12 sind.

28. MAI 2021

Mit einem Schreiben vom 28. Mai 2021 erhalten wir als Mieter*innen dieses Hauses auch von der Mieterberatung Prenzlauer Berg die Mitteilung, dass der Bezirk Pankow das Vorkaufsrecht prüft.

29. MAI 2021

Damit die Bremer Höhe e.G. und viele andere Wohnungsbaugenossenschaften Häuser wie dieses hier und viele andere akut betroffene in der Stadt übernehmen können, gibt es Fördermittel für den „Genossenschaftlichen Bestandserwerb“. Dabei handelt es sich keineswegs um geschenktes Geld, sondern um Darlehen seitens der Stadt zu realistischen Konditionen. Allerdings sind diese Fördermittel für das Jahr 2021 bereits jetzt, im Mai, ausgeschöpft. Im ersten Schritt muss es also darum gehen, dass Fördermittel schnellstmöglich in den dafür vorgesehenen Töpfen landen. Wir starten in Vernetzung mit anderen betroffenen Häusern und Initiativen die Aktion „1000 BRIEFE AN DEN SENAT“ und fordern u.a. den Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz (SPD) sowie den Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Sebastian Scheel (DIE LINKE) dazu auf, Fördermittel bereitzustellen. Mit aller Kraft des Kiezes, also mit eurer Unterstützung. Sowohl im Spätkauf als auch im Lassunsfreundebleiben könnt ihr euch beteiligen. Wer weiter weg ist, erfährt hier mehr über die Aktion, kann die Briefe herunterladen und abschicken (unbedingt mit Absender). Wir würden uns freuen, wenn Ihr mitmacht. Es geht dabei nicht nur um die Choriner 12, sondern um aktuell viele Häuser, die vom Verkauf betroffen und damit von potenzieller Verdrängung bedroht sind.

ANMERKUNG:

Auch wenn ihr z.B. bei Instagram aktuell wenig von uns hört, sind wir sehr aktiv. Wir bitten um euer Verständnis, dass wir über unsere aktuellen Anstrengungen zum aktuellen Zeitpunkt nicht so öffentlich kommunizieren können. Und seid euch gewiss, dass wir euch sofort in Kenntnis setzen, wenn die Dinge greifbarer werden, ob in bedrohlicher oder erfreulicher Manier. Auf jeden Fall danken wir euch sehr, dass ihr so zahlreich am Start seid, und wünschen uns, dass ihr mit uns am Ball bleibt.

Im persönlichen Gespräch sind wir gerne bereit, mehr Informationen mit euch zu teilen als hier oder bei Instagram. Scheut euch also nicht, uns anzusprechen, aber bestenfalls sprecht mit uns Bewohner:innen des Hauses. Die Menschen, die im Spätkauf oder im LassunsFreundebleiben arbeiten, sind mitunter nur bedingt im Bilde, was den Status quo betrifft, und können in den meisten Fällen weniger dazu sagen als wir. Vielen Dank.